Geschichte

AKHF-Gründungsurkunde,
1. September 1984

Als sich die Friedens- und Konfliktforschung 1969 auf Initiative des damaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann verstärkt im öffentlichen Bewusstsein verankerte, führte dies zunächst noch nicht zu einer Koordinierungsstelle auch für historische Friedensforschung. Einen ersten Anfang bedeutete jedoch die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern in der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft Heidelberg und entsprechenden historischen Publikationen zum Verhältnis von Kirchen bzw. Sozialismus und Frieden (1969 und 1973).

Seit 1976 wurde Karl Holl, Professor für Zeit- und Parteiengeschichte an der Universität Bremen, zur Anlaufstelle für junge Forscher, die sich mit der Geschichte der bürgerlichen Friedensbewegung im Kaiserreich und in der Weimarer Republik beschäftigen. So traf sich ab 1977 eine ‚Studiengruppe‘ von 21 Mitgliedern in Köln, Hamburg und Bremen und setzte sich das Ziel, die Geschichte des organisierten liberal-demokratischen bürgerlichen Pazifismus sowie die des Antimilitarismus und der gewaltfreien Bewegung zu erforschen und verstreute Quellen hierzu zu sichten. Der Arbeitskreis bot ein Forum zur Diskussion von Forschungsergebnissen aus dem Bereich historischer, politikwissenschaftlicher, soziologischer, anthropologischer und pädagogischer Friedensforschung. Mit einem Sammelband über ‚Pazifismus in der Weimarer Republik‘ (1981) und dem ‚Hermes Handlexikon zur Friedensbewegung‘ (1983) trat er an eine breitere Öffentlichkeit.

Der gemeinnützigen Stiftung ‚die schwelle‚ des Bremer Unternehmers Dirk Heinrichs ist ein wesentlicher Impuls für die eigentliche Gründung des Arbeitskreises als feste Institution zu danken. Sie finanziert ab 1983 mehrere Kolloquien in Fischerhude. Der Arbeitskreis öffnete sich sachlich wie personell und suchte durch die Einbeziehung gesamtgesellschaftlicher Bedingungen für Frieden sein Themenspektrum zu erweitern. Zugleich weitete er nicht nur den Zeitraum auf das 19./20. Jahrhundert aus, sondern griff auch räumlich über die deutsche Geschichte hinaus. Dabei beanspruchte er, einen interdisziplinären Ansatz zu verfolgen, indem er Fragestellungen der Sozialwissenschaften aufnahm. Er blieb pluralistisch in den Methoden, Gegenständen und Inhalten, die nur durch einen positiven Bezug zum Thema Frieden gekennzeichnet waren. Neben der Geschichte des organisierten Pazifismus wurden Haltungen, und Mentalitäten der Gesellschaft als solcher zum Problem von Krieg und Frieden im Rahmen des nationalen wie internationalen Systems zum Forschungsgegenstand (Parteien, Kirchen, Pazifisten, Militaristen, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, soziale Bewegungen).

Nach einer kurzen Zeit ohne formelle Treffen wurde der Arbeitskreis ‚Historische Friedensforschung‘ am 1.September 1984 in Fischerhude, am 45. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkrieges und am Weltfriedenstag endgültig und formal begründet. Ziel war, die Kommunikation unter den einschlägig arbeitenden Wissenschaftlern zu fördern, den interdisziplinären Austausch von Historikern mit Wissenschaftlern anderer Fächer (Soziologen, Politologen, Psychologen, Pädagogen, Juristen) weiter anzuregen und den Kontakt zur internationalen historischen Friedensforschung zu pflegen.

Seither gibt es jährliche Tagungen, die jeweils in eine Buchpublikation mündeten. Die Ausweitung des Mitgliederkreises war beachtlich (1985: 27, 1989: 54, 1993: 72, 2001: 115, 2003: 130), sie kommen nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus den USA und anderen europäischen Staaten. Der Arbeitskreis ist damit neben der in den USA tätigen Peace History Society die größte einschlägige Vereinigung. Zwischen 1992 und 2000 wurden die wissenschaftlichen Ergebnisse der Jahrestagungen im Jahrbuch für Historische Friedensforschung (Lit-Verlag, Münster), seit 2002 in der Reihe ‚Frieden und Krieg – Beiträge zur Historischen Friedensforschung‚ (Klartext-Verlag, Essen) publiziert. Diese steht auch historischen Monographien zum Thema Frieden offen. Die Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen, die Friedrich-Ebert-Stiftung, die Jakob-Kaiser-Stiftung, die Heinrich-Böll-Stiftung förderten neben anderen die wissenschaftlichen Tagungen. Dauerhaft unterstützt die Stiftung ‚die schwelle‘ den Arbeitskreis.

Möglichkeiten, Probleme des Friedens aus historischer Perspektive zu reflektieren und zu publizieren, bot die 1988 gegründete Schriftenreihe ‚Geschichte und Frieden‘ (Donat Verlag). Sie versteht sich als Plattform zur Erforschung des organisierten Pazifismus und herausragender Persönlichkeiten aus der Friedensbewegung. Außerhalb des Arbeitskreises, aber wesentlich aus ihrer Mitgliedschaft heraus getragen, entstanden auf Initiative von Wolfram Wette Studien über den Bewusstseinswandel, die Lern- und Wandlungsprozesse von Offizieren im Kaiserreich und der Weimarer Republik sowie über den „Rettungswiderstand“ aus den Reihen der Wehrmacht.

Den Kern der Mitglieder des Arbeitskreises Historische Friedens- und Konfliktforschung bilden diejenigen, die wissenschaftlich die Fragen von Krieg und Frieden analysieren. Er spricht Wissenschaftler innerhalb und außerhalb der Universitäten ebenso an wie Lehrer, Dozenten, Archivare und Bibliothekare, Journalisten, Wissenschaftler als maßgebliche Antriebsmotoren, ergänzt durch an Historischer Friedensforschung Interessierte sowohl aus der Geschichtsdidaktik wie der Unterrichtspraxis.

In den letzten Jahrzehnten hat der Arbeitskreis Historische Friedens- und Konfliktforschung nicht nur seine Mitgliedszahl wesentlich erweitert. Er hat auch in seinem kooperativen Selbstverständnis zumeist nach mehrjähriger Tätigkeit die Sprecherpositionen jeweils neu besetzt und bleibt nicht zuletzt auch dadurch eine Diskussionsgemeinschaft mehrerer wissenschaftlicher Generationen.

top