Rezension: Rob Waters: Thinking Black

Rob Waters: Thinking Black. Britain 1964–1985, Oakland: University of California Press 2019.

Rezensiert für den Arbeitskreis Historische Friedensforschung bei H-Soz-u-Kult von: Simeon Marty, Institut für Geschichtswissenschaft, Humboldt-Universität zu Berlin.

Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg die Migration aus dem globalen Süden nach Großbritannien sprunghaft an. Besonders aus den Ländern des globalen Südens kamen Arbeitskräfte nach Großbritannien, um beim Wiederaufbau des Landes mitzuhelfen. Sie waren auf der Suche nach verbesserten ökonomischen Bedingungen oder flüchteten vor jenen Kriegswirren, die die Phase der territorialen Dekolonisation Afrikas, Asiens und der Karibik begleiteten. Großbritannien kam danach noch mehr als schon zuvor die Rolle einer „Kontaktzone“ des Kolonialismus zu. Spätestens mit Enoch Powells „Rivers of Blood“-Rede 1968 entstand außerdem ein Diskurs darüber, was „british“ bedeutete und wer und was dazugehörte. Dabei waren es vor allem Minderheiten, die angesichts anhaltender Diskriminierung Britishness innerhalb der Kategorien „race“ und „gender“ weiter ausdehnten. Hier setzt der britische Historiker Rob Waters mit seiner Monografie „Thinking Black. Britain, 1964–1985“ an.

Über fünf Kapitel schildert er die Geschichte von Aktivistinnen und Aktivisten, die in den 1960er- bis 1980er-Jahren versuchten, das wachsende Selbstbewusstsein schwarzer Minderheiten in Großbritannien in eine funktionsfähige und schlagkräftige politische Bewegung umzumünzen. Waters benennt als Hauptziel der Aktivistinnen und Aktivisten, Rassismus zu bekämpfen, welchen sie als eine die britische Gesellschaft und Politik von oben nach unten strukturierende Kraft ansahen. Damit sich die britische Gesellschaft transformieren könne, müsse sie mit „thinking black“ beginnen, nämlich anzuerkennen, wie Unterdrückung aufgrund von Hautfarbe historisch gewachsen war und weiterhin das soziale und politische Leben strukturiere. Waters fokussiert sich mehrheitlich auf London, berücksichtigt aber auch andere Städte im Vereinigten Königreich wie Birmingham, Bristol und Liverpool. Seine Studie baut auf einer Vielzahl von bisher erst wenig bearbeiteten Quellen aus Community-spezifischen Archiven auf. Darunter sind die Black Cultural Archives, das Institute for Race Relations und das George Padmore Institute, die selbst eng mit der Geschichte der „Black Power“-Bewegung verbandelt sind.

Im ersten Kapitel zeichnet Waters nach, wie die politischen Kämpfe der Black Power-Bewegung in den „langen 1970-Jahren“ in Großbritannien eng mit der „Black Panther“-Bewegung in den USA sowie mit antikolonialen Gruppierungen in den ehemaligen Kolonien verbunden waren. Waters unterstreicht dabei, dass „Black Power“ nicht lediglich ein intellektuelles Import-Produkt aus den USA sei. „Thinking Black“ ist für ihn ein distinkt britisches Phänomen, welches seinen Ursprung in der imperialen Vergangenheit des Landes hat.

In Kapitel zwei geht Waters auf das Konzept der „political Blackness“ ein. Der Begriff beschreibt die Regenbogenallianz nicht-weißer Menschen – vor allem afrikanischen, karibischen und südasiatischen Ursprungs – im gemeinsamen politischen Kampf gegen Rassismus und Kolonialismus. Jede von Rassismus betroffene Person oder Gruppe konnte sich als „politisch schwarz“ verstehen. Im Umkehrschluss machte dies die Bewegung größer und stärkte damit das gemeinsame Engagement gegen Diskriminierung. Der „political blackness“ haftet der Ruf an, ein rein strategischer Aufruf nicht-weißer Intellektueller gewesen zu sein, der zwar in Feuilletons eifrig diskutiert wurde, dem die nötige Rezeption auf der Straße jedoch fehlte. Dem stellt sich Waters entgegen, um mit Quellenbeispielen aufzuzeigen, wie sich aktivistische Netzwerke bemühten, das theoretische Konzept mit Leben zu füllen, etwa durch Literatur, Kleidung und Musik als kulturell schwarze Ausdruckspraktiken.

In den Kapiteln drei und vier geht Waters weiter darauf ein, wie die theoretischen Ansätze der Bewegung in politische Praktiken zur Dekolonisierung der britischen Gesellschaft übersetzt wurden. Nach dem territorialen Ende des Kolonialismus sollten auch dessen intellektuelle Grundlagen wie Ideen rassischer Überlegenheit in den Köpfen der britischen Gesellschaft aufgelöst werden. Waters beschreibt dafür in Kapitel drei das Fallbeispiel des „Mangrove Nine“-Prozesses. Das gleichnamige Restaurant war ein beliebter Treffpunkt der zahlenmäßig großen schwarzen Bevölkerung in Notting Hill, unter anderem auch für antirassistische Gruppierungen. Der zuständige Staatsanwalt versuchte den Aktivismus dieser Gruppierungen, der sich auch immer wieder direkt gegen den Staat richtete, aktiv zu diskreditieren. Nach einer Polizeirazzia im „Mangrove“-Restaurant und Protest dagegen wurden 1971 neun Personen verhaftet und wegen Anstiftung zu Aufruhr vor Gericht gestellt. Die Angeklagten vermochten den Spieß jedoch umzudrehen. Sie verwendeten ihre Redezeit nicht zur Verteidigung, sondern klagten ihrerseits den institutionellen Rassismus der britischen Polizei an. Gekoppelt mit erfolgreicher Medienarbeit erzielte diese Taktik laut Waters eine zuvor nie dagewesene Aufmerksamkeit für die Anliegen der Black-Power-Bewegung in Großbritannien. In der Folge stieg die Popularität schwarzer politischer Gruppierungen stark an und zahlreiche politisch linksstehende Gruppierungen solidarisierten sich mit den Angeklagten. Für Waters ist dies der Höhepunkt der britischen „black power“-Bewegung. weiterlesen

Empfohlene Zitierweise
Simeon Marty: Rezension zu: Waters, Rob: Thinking Black. Britain 1964–1985. Oakland  2019, in: H-Soz-Kult, 15.01.2020, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-28444>.