Sammelrezension: Keller: Antifa/Langer: Antifaschistische Aktion/Schöppner: Antifa heißt Angriff

Mirja Keller, Lena Kögler, Moritz Krawinkel, Jan Schlemermeyer: Antifa. Geschichte und Organisierung, Stuttgart: Lehmanns Media 2018.

Bernd Langer, Antifaschistische Aktion. Geschichte einer linksradikalen Bewegung, Münster: Unrast Verlag 2018.

Horst Schöppner, Antifa heißt Angriff. Militanter Antifaschismus in den 1980er Jahren, Münster: Unrast Verlag 2015.

Rezensiert für den Arbeitskreis Historische Friedensforschung bei H-Soz-u-Kult von: Richard Rohrmoser, Universität Mannheim

Im Dezember 2017 stand Jan „Monchi“ Gorkow, Sänger der Punkband „Feine Sahne Fischfilet“ vor Gericht in Güstrow (Mecklenburg-Vorpommern), weil er dort bei einer Demonstration im Mai 2015 an Gewalttätigkeiten gegen eine Gruppe von Neonazis beteiligt gewesen sein soll. Im Prozess gab ein als Zeuge berufener Polizist zu Protokoll, dass linke Aktivist/innen damals lauthals einen Schlachtruf skandiert hätten. Auf Nachfrage des Richters, wie der Spruch gelautet habe, erklärte der Staatsbedienstete: „Ich kann kein Spanisch: ‚Barista, barista antifascista‘ oder so.“[1] Vor allem in der virtuellen Welt sorgte das Missverständnis des Polizisten – der Slogan lautet eigentlich „Alerta, alerta antifascista“ und geht auf das Engagement italienischer Antifaschist/innen gegen Diktator Benito Mussolini in den 1920er-Jahren zurück – für reichlich Erheiterung: Viele Twitter-Nutzer/innen verbreiteten den Witz und die taz-Redaktion schlug ihren Leser/innen einige weitere Abwandlungen linker Schlachtrufe vor, zum Beispiel „Kein Gott, kein Staat, kein Kaffeeautomat!“, „Ohne Kaffeedampf kein Klassenkampf!“ und „Hoch die internationale (Kaffee-)Spezialität!“[2] Rasch entwickelte sich „Barista, barista antifascista“ zu einem vielzitierten Bonmot in der linksalternativen Szene und es folgten verschiedene ironische T-Shirts mit entsprechenden Emblemen zu diesem Spruch.

Bereits dieses eine Beispiel veranschaulicht, dass die antifaschistischen Linken schon längst ihre vor allem durch Punkrock beeinflusste subkulturelle Nische verlassen haben und mit Stilmitteln der Postmoderne wie beispielsweise Ironie, Intertextualität und Stilpluralismus eine eigenständige Jugend- und Pop-Kultur begründet haben. Signifikante Paradigmenwechsel fanden in den letzten Jahren dabei nicht nur im Bereich der antifaschistischen Codes und Symbole statt, sondern auch etwa in Bezug auf Kleidungsstil, Konzerte und Veranstaltungen: Beispielsweise traten an die Stelle von klassischen Lederjacken immer öfter Windbreaker, und Hip-Hop (insbesondere das Subgenre „Zeckenrap“) hat sich im linksalternativen Spektrum inzwischen ebenso etabliert wie Punkrock. Dies sind jedoch lediglich die augenscheinlichsten Veränderungen der Antifa in der jüngsten Geschichte. Die Historie der Antifaschistischen Aktion reicht bis in das Jahr 1932 zurück, als die KPD angesichts des an Zuspruch gewinnenden Nationalsozialismus zu einer Einheitsfront aus Kommunist/innen, Sozialdemokrat/innen und Gewerkschafter/innen aufrief. In den letzten Jahren sind zahlreiche neue Studien über die Geschichte dieser linksradikalen Bewegung veröffentlicht worden. Diese Publikationen liefern durchaus einige essentielle Impulse zur Untersuchung dieses Forschungsbereiches; in erster Linie veranschaulichen sie jedoch, dass der Komplex „Antifaschistische Aktion“ noch einen großen blinden Fleck in der Geschichtswissenschaft darstellt.

Das Buch Antifa. Geschichte und Organisierung des Autor/innenkollektivs Mirja Keller, Lena Kögler, Moritz Krawinkel und Jan Schlemermeyer ist bislang das lesenswerteste Überblickswerk zum Thema. Trotz der lediglich rund 150 Seiten liefert diese Publikation eine informative Zusammenfassung der verschiedenen Strömungen der antifaschistischen Linken in Deutschland seit den 1920er-Jahren. Der Fokus der Publikation liegt vor allem auf der Nachkriegsgeschichte, jedoch beschreiben die Autor/innen die Genese der Antifaschistischen Aktion in der Weimarer Republik sehr anschaulich und thematisieren dabei die faschismustheoretischen Diskussionen im kommunistischen Milieu, die später zentrale Referenzpunkte für die „inhaltliche Entwicklung der antifaschistischen radikalen Linken in Deutschland sein sollten“ (S. 9). Das anschließende Kapitel „Folgen von Nationalsozialismus und Holocaust“ hat lediglich „symbolischen Charakter“, weil laut den Autor/innen „jeder Versuch einer ausführlichen Beschreibung der Geschichte des Nationalsozialismus und der von Deutschen und ihren HelferInnen begangenen Verbrechen als auch eine tiefergehende Bearbeitung des vielfältigen Widerstands“ in diesem kurzen Band scheitern würden (S. 9).

Ausführlicher behandelt die Publikation dagegen die Entwicklung der antifaschistischen Bewegung nach 1945 und beschreibt etwa die Aktivitäten der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN), des „Kommunistischen Bundes“ (KB) sowie die erste bundesweite Koordination von Antifa-Gruppen zu Beginn der 1980er-Jahre. Gelungen ist dabei insbesondere die konzise Charakterisierung der verschiedenen antifaschistischen Strömungen wie beispielsweise der migrantischen „Antifaşist Gençlik-“[3] und der feministischen „Fantifa-Gruppen“ sowie die Darstellung der erbitterten innerlinken Kontroversen zwischen den „Antideutschen“ und den „Antiimperialisten“ seit Beginn der 1990er-Jahre. Im Gegensatz zur weiteren einschlägigen Literatur über die Antifa untersucht dieser Band ferner deren Sozialstruktur, wobei die Autor/innen zu dem Ergebnis kommen, dass das Gros der Aktivist/innen einem „biodeutschen“ akademischen Elternhaus entstammt, zwischen 16 und 30 Jahre alt sowie männlich ist und sich noch in der Ausbildung beziehungsweise im Studium befindet. Insofern unterscheidet sich die Szene inzwischen deutlich von der Zusammensetzung der historischen Antifaschistischen Aktion, in der vor allem Arbeiter/innen aktiv waren (S. 156). Die Publikation verweist aber explizit darauf, dass es nicht die eine, sondern nur viele Geschichten über die Antifa gibt und dass deren Profil stets auf den „jeweiligen lokalen Gegebenheiten (also der Größe der Stadt, der Stärke der rechten Szene etc.) und den theoretischen wie symbolischen Deutungskämpfen um den Begriff des Antifaschismus“ beruht (S. 156).

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Empfohlene Zitierweise
Richard Rohrmoser: Rezension zu: Keller, Mirja; Kögler, Lena; Krawinkel, Moritz; Schlemermeyer, Jan: Antifa. Geschichte und Organisierung. Stuttgart  2018 / Langer, Bernd: Antifaschistische Aktion. Geschichte einer linksradikalen Bewegung. Münster  2018 / Schöppner, Horst: Antifa heißt Angriff. Militanter Antifaschismus in den 1980er Jahren. Münster  2015, in: H-Soz-Kult, 03.10.2019, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-29015>.