Rezension: S. Hänschen, Das Transitghetto Izbica im System des Holocaust

Hänschen, Steffen, Das Transitghetto Izbica im System des Holocaust. Berlin  2018 .

Rezensiert für den Arbeitskreis Historische Friedensforschung bei H-Soz-u-Kult von: Walter Manoschek, Wien.

608 Seiten, 40 Archive, 1.150 Fußnoten, 23 Seiten Quellen- und Literaturverzeichnis. Das ist die Bilanz des Buches über ein Transitghetto in Ostpolen, das nicht einmal allen Expert/innen ein Begriff sein dürfte. Und – man kann es vorwegnehmen: Keine Seite davon ist zu viel. Hänschen kann dabei auf seine 20-jährige Erfahrung mit Bildungsreisen zurückgreifen, die er in der Region Lublin zu den vergessenen Lagern der „Aktion Reinhardt“ im Rahmen des Bildungswerk Stanislaw Hantz e. V. durchführte. Saul Friedländer hatte 2007 Izbica noch als einen „unscheinbaren“ Ort und als „Ghetto ohne Mauern“ bezeichnet.

Hänschen setzt es sich als Aufgabe, den spezifischen Charakter eines Transitghettos zu beleuchten. Ein schwieriges Unterfangen, da über Izbica – so wie in den anderen Transitghettos im Generalgouvernement – die nationalsozialistischen Besatzer die Dokumente systematisch vernichteten und bestenfalls Splitterbestände erhalten geblieben sind. Heinrich Himmler und das Reichssicherheitshauptamt entschieden Anfang der 1940er-Jahre, Ortschaften im besetzten Polen zum Bestimmungsort für deportierte Juden aus West- und Mitteleuropa zu machen.

In der sogenannten dritten Deportationswelle verschleppten die Nationalsozialisten zwischen März und Juni 1942 etwa 21.000 Juden aus dem Altreich, 14.000 aus Theresienstadt, 6.000 aus Wien, 40.000 aus der Slowakei und einige Dutzend aus Luxemburg in die Transitghettos und Lager des Distrikts Lublin. Die Deportierten von außerhalb des Generalgouvernements wurden bis Juni 1942 nicht direkt in die Gaskammern der drei Vernichtungslager der „Aktion Reinhardt“ geschickt, sondern in Orten des Distrikts untergebracht, die als „Umschlagstationen“ dienten, und wo sie unter unmenschlichen Bedingungen – ohne es zu wissen – auf ihren Weitertransport in den Tod warteten. Der größte dieser Orte war Izbica. Weiterlesen

Empfohlene Zitierweise
Walter Manoschek: Rezension zu: Hänschen, Steffen: Das Transitghetto Izbica im System des Holocaust. Berlin  2018 , in: H-Soz-Kult, 07.02.2019, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-29397>.