Karlo Ruzicic-Kessler, Italiener auf dem Balkan. Besatzungspolitik in Jugoslawien 1941–1943, Berlin: De Gruyter Oldenbourg 2017.
Rezensiert für den Arbeitskreis Historische Friedensforschung bei H-Soz-u-Kult von: Sanela Schmid, Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin.
Die an der Universität in Wien verteidigte Dissertation von Karlo Ruzicic-Kessler ist tatsächlich die erste deutschsprachige Studie über die Italiener „in Jugoslawien“, wie es der Untertitel des Buches präzisiert. Auf der Basis von überwiegend italienischen Quellen macht sich der Autor daran, das italienische Handeln während der Besatzungszeit in Jugoslawien zu analysieren. So steht „das Verhältnis der italienischen Besatzer sowohl zu Verbündeten als auch zu Feinden während des Krieges“ (S. 1) im Zentrum des Erkenntnisinteresses. Dabei arbeitet er vor allem die Wechselwirkung von militärischen Auseinandersetzungen und diplomatischen Zwängen heraus.
Das Buch gliedert sich in vier Teile, wobei der dritte Teil – die Folgen der Okkupation – das inhaltliche Zentrum und mit über 200 Seiten weitaus umfangreicher als der Rest des Buches ist. Zunächst untersucht der Autor italienische Aspirationen auf den Balkan in der Zwischenkriegszeit. Dabei vertritt er die These, dass das faschistische Italien „keine klare Linie verfolgte und in vielerlei Hinsicht dem politisch-militärischen Wandel in Europa ausgesetzt war“ (S. 39). Der zweite Teil „Teilung, Okkupation und Annexion Jugoslawiens“ beleuchtet dann vor allem den neu geschaffenen „Unabhängigen Staat Kroatien“ sowie das Verhältnis Italiens sowohl zu seinen nominellen Verbündeten – Nazideutschland und Ustascha – als auch zu den serbischen Tschetniks als ad hoc Verbündeten. Viel Platz nimmt hier auch die Festlegung der Grenzen für jedes Gebiet ein, wodurch sehr deutlich wird, wie schwierig und unbefriedigend die Lösungen für alle Parteien letztlich waren.
Während sich die ersten beiden Teile überblicksartig darstellen, baut der Autor im dritten Teil seine Argumentation vor allem auf seinen Recherchen auf. Dabei geht er nach Gebieten vor, denn je nach Besatzungsgebiet unterschieden sich die Situation und somit auch der italienische Ansatz, mit dieser umzugehen, deutlich. Letztlich sei die Implementierung italienischer Herrschaft nirgendwo reibungslos verlaufen, zum Teil wegen der Aspirationen der Verbündeten Italiens, zum Teil wegen örtlichen Begebenheiten – wie etwa in Montenegro, wo viele mächtige Clanchefs ihre eigenen Pläne in den von ihnen kontrollierten Regionen verfolgten.
Es sind die großen Erklärungsmuster, die Karlo Ruzicic-Kessler interessieren und die er gekonnt präsentiert. Er wägt sehr gut die internen italienischen Faktoren gegeneinander ab, wie sie insbesondere in der Konkurrenz zwischen der zivilen Verwaltung und dem Militär hervortraten, um einen wichtigen Erklärungsansatz für das italienische Verhalten anzubieten. Mit seiner differenzierten Betrachtungsweise zeigt er beispielsweise, wie sich der Zivilkommissar von Slowenien, Emilio Grazioli, einerseits durchaus um „seine“ Slowenen bemühte, während er gleichzeitig keine Probleme damit hatte, die härtesten Repressionsmaßnahmen gegen die Partisanen zu unterstützen. (S. 163) Die Analyse der Beziehungen Italiens zu seinen Verbündeten Deutschland und Kroatien bleibt hingegen hinter den Erwartungen zurück, da sie etwas zu knapp ausfällt und nur vom italienischen Standpunkt aus erfolgt. weiterlesen
Empfohlene Zitierweise
Sanela Schmid: Rezension zu: Ruzicic-Kessler, Karlo: Italiener auf dem Balkan. Besatzungspolitik in Jugoslawien 1941–1943. Berlin 2017 , in: H-Soz-Kult, 18.12.2018, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-28398>.