J. Herzberg u.a. (Hrsg.): Ice and Snow in the Cold War

Herzberg, Julia; Kehrt, Christian; Torma, Franziska (Hrsg.): Ice and Snow in the Cold War. Histories of Extreme Climatic Environments. New York 2019.

Rezensiert für den Arbeitskreis Historische Friedensforschung bei H-Soz-u-Kult von: Sophie Lange, Sophie Lange, Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin.

Dass ausgerechnet der Kalte Krieg die internationale Forschung über Gletscher, Eis und Schnee befeuerte, wird eindrücklich in den zwölf Aufsätzen des Sammelbandes „Ice and Snow in the Cold War. Histories of Extreme Climatic Environments“ dargestellt. Das von Julia Herzberg, Christian Kehrt und Franziska Torma herausgegebene Buch enthält Beiträge zu überraschenden Themen wie der Jagd nach Yetis (Carolin F. Roeder und Gregory Afinogenov) oder das Konzept einer Geschichte der Kälte (Sverker Sörlin). Für die Umwelthistoriker/innen wird zudem die wichtige Frage der Klimaforschung angerissen – vom Schmelzen der Eisberge über das Szenario eines „nuklearen“ Winters bis hin zum Nutzen des Eises als Material.

Das Buch erzählt somit von Abenteuerlust und Entdeckerfreuden, neu verhandelten Männlichkeiten, Machtpositionen und Interessen sowie von den Möglichkeiten und Grenzen, die diese unbeugsame Naturlandschaft mit sich bringt. Geografisch erstreckt sich der untersuchte Gegenstand – die extremen Kälteregionen dieser Erde – von der Arktis und Antarktis über Grönland bis hin zum Himalaya und dem Tian Shan-Gebirge. Das Attribut „kalt“ erfährt mit dem Blick auf diese spezielle Peripherie für die Beschreibung des Kalten Krieges damit eine neue Dimension. Noch im Jahr 2010 attestierten Corinna Unger und John McNeill den Umwelthistoriker/innen und Kalten-Kriegs-Forscher/innen eine mangelhafte gegenseitige Wahrnehmung. Mit diesem Band scheint nun das „Eis“ zwischen beiden gebrochen zu sein.

Die Erforschung von Eis und Schnee entwickelte sich im Untersuchungszeitraum des Bandes von einer teilweise von Hobby-Forscher/innen betriebenen zu einer systematischen Wissenschaft. Wie Dania Achermann in ihrem Aufsatz am Beispiel der Schweiz herausstellt, trug dazu maßgeblich das Interesse bei, sich gegen Naturgewalten wie Lawinen schützen zu wollen. Doch erst mit dem aufkommenden militärischen Interesse während des Zweiten Weltkrieges und zu Beginn des Kalten Krieges gelang der fulminante Aufstieg der Erforschung von Kälteregionen.

Die enge Verknüpfung der Erforschung von Polarkappen und Gletschern mit militärischem Nutzen wird beispielsweise für die US-Amerikaner vor allem im Falle eines Angriffes der Sowjets über die nördliche Eisbrücke bei Alaska ausschlaggebend. Nach Janet Martin-Nielsen erkannten die USA, dass sie nun im Vergleich zur Sowjetunion hier ihr Kenntnisdefizit aufholen mussten, weshalb die Forschung zu Beginn des Kalten Krieges massiv ausgebaut wurde.

Gleichzeitig gebar der innermilitärische Konkurrenzkampf zwischen US-amerikanischer Luftwaffe, Marine und Heer so ein abstruses Vorhaben wie das „Project Iceworm“, das Ingo Heidbrink in seinem Beitrag veranschaulicht. Der letztlich an der Umsetzbarkeit gescheiterte Plan sah eine unterirdische Tunnel-Militärbasis zur Stationierung von Nuklearraketen in Grönland vor – ohne Wissen der dänischen Regierung, eines NATO-Mitglieds. Geschützt durch das Eis, so der Plan, seien die Raketen praktisch unsichtbar für weiträumige sowjetische Aufklärungsflüge und böten sogar Erstschlagskapazitäten. Um die entsprechende Ausrüstung zu betreiben und die Lebensfähigkeit unter dem Eis zu garantieren, sollte die Militärbasis mit kleinen Atomanlagen versehen werden. Damit wollte dieser Teil der amerikanischen Streitkräfte einen anspruchsvollen Beitrag in der militärischen Auseinandersetzung mit den Sowjets leisten.

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Empfohlene Zitierweise
Sophie Lange: Rezension zu: Herzberg, Julia; Kehrt, Christian; Torma, Franziska (Hrsg.): Ice and Snow in the Cold War. Histories of Extreme Climatic Environments. New York 2019, in: H-Soz-Kult, 24.05.2019, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-30336>.