Annika Elisabet Frieberg, Peace at All Costs. Catholic Intellectuals, Journalists, and Media in Postwar Polish–German Reconciliation, New York: Berghahn Books 2019.
Rezensiert für den Arbeitskreis Historische Friedensforschung bei H-Soz-u-Kult von: Jost Dülffer, Historisches Institut, Universität Köln.
Die deutsch-polnischen Beziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg standen unter gravierenden strukturellen Belastungen. Dazu gehörte in erster Linie die deutsche Angriffs-, Besatzungs- und Genozidpolitik in Polen und gegenüber Polen im Zweiten Weltkrieg, in zweiter Linie die von den Großen Vier im Zweiten Weltkrieg vereinbarte Westverschiebung Polens mit der Abtrennung deutscher Ostprovinzen. In dritter Linie ist die Bildung von zwei deutschen Staaten zu nennen, von denen nur die DDR eine Grenze mit Polen besaß, Polen aber immer Wert auf die Beziehungen zur viel größeren Bundesrepublik legte.
Dass es dennoch schon seit den fünfziger Jahren Ansätze zur Verständigung und Normalisierung gab, ist erstaunlich und viel analysiert worden. Dabei ist auch aus der Gesamtsituation des Ost-West-Konflikts erklärt worden, warum es nicht viel früher zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen kam, die erst 1970 mit den Ostverträgen der Bundesrepublik vollzogen wurden. Das Deutsche Historische Institut Warschau insgesamt, deutsche Autoren wie Dieter Bingen, Friedhelm Boll, Hans-Henning Hahn, aber auch viele polnische HistorikerInnen haben viel zur weiteren Dokumentation und Erklärung beigetragen. Was kann uns die Studie von Annika Friedberg, Schwedin, in Chapel Hill promoviert, derzeit in San Diego lehrend, da noch Neues bieten, wenn man es nicht allein für ausreichend erklärt, dass es in englischer Sprache nicht so viel zum Thema gibt?
Frieberg hat ihre Forschungen offenbar im Kern im ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts angestellt, die in den Sachkapiteln zwei bis sechs vorgestellt werden. Sie hat polnische und deutsche Archive besucht und in die jeweilige Forschungsliteratur eingebettet. Sie beginnt mit Erinnerungen einiger ihrer Protagonisten an Krieg und Nachkriegszeit, legt dann aber einen deutlichen Schwerpunkt auf die fünfziger und vor allem sechziger Jahre bis etwa 1972. Einige ihrer Gewährsleute sind seit langem diskutiert worden, andere werden hier innovativ erschlossen; viele von ihnen hat sie selbst noch interviewen können. Auf polnischer Seite ist dies etwa Stanislaw Stomma, Stefan Kiesielewski, Jerzy Turowicz oder Stefan Wyscynski sowie der katholische Znak-Kreis. Auf bundesrepublikanischer Seite Klaus von Bismarck, Marion Gräfin Dönhoff, Karlheinz Koppe, Hansjakob Stehle, Walter Dirks, Ludwig Zimmerer, Renate Marsch-Potocka sowie protestantische und katholische Gruppierungen, voran der Bensberger Kreis. Die Autorin verfolgt ihre Aussöhnungsaktivitäten, ihre Reisen ins jeweils andere Land, ihre Berichte in Print-, Hörfunk- und Fernsehmedien genau und mit Sympathie. Von DDR-Seite kommt eigentlich nur Aktion Sühnezeichen und ihr Gründer Lothar Kreyssig in den Blick – die wesentlich breitere westliche Aktion Sühnezeichen jedoch nicht. Besondere Bedeutung wird den wohlbekannten Aussöhnungsbriefen der Katholiken und Protestanten in den sechziger Jahren zu Teil. Das ist eine sektorale, keine umfassende Auswahl. Die Schulbuchkonferenzen werden zum Beispiel nur einmal kursorisch erwähnt. weiterlesen
Empfohlene Zitierweise
Jost Dülffer: Rezension zu: Frieberg, Annika Elisabet: Peace at All Costs. Catholic Intellectuals, Journalists, and Media in Postwar Polish–German Reconciliation. New York 2019, in: H-Soz-Kult, 25.10.2019, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-28932>.