Ordnung und Gewalt. Wechselwirkungen zwischen Militär und Politik von der Antike bis heute
Militär und Politik lassen sich also nicht essenzialisieren, zumal politisches und militärisches Denken und Handeln auf zeitgenössischen Zuschreibungen beruhten; vielmehr müssen sie historisiert werden. Als Analysekategorien lassen sie sich dennoch fruchtbar machen. Das gilt beispielsweise für Fälle, in denen Akteure von der Sphäre des Politischen in die des Militärischen hinüberwechselten und vice versa oder aber mal stärker in ihrer Rolle als Militär oder aber als Herrscher/Politiker bzw. Angehöriger der Elite des Landes betrachtet wurden. So wurzelte beispielsweise die politische Reputation eines Julius Caesar, Otto I., Friedrich II. oder Dwight D. Eisenhower immer auch in ihren militärischen Erfolgen. Im Zeitalter der Soldatenkaiser im langen 3. Jahrhundert findet sich eine beachtliche Liste von Militärs auf dem Kaiserthron, wenn auch meist nur für kurze Zeit, die ihre neue Position in erster Linie dem Zuspruch ihrer Truppen zu verdanken hatten. Mittelalterliche Könige präsentierten sich als kompetente Kriegsakteure, und die kriegerische Teilnahme am Kreuzzug war im Mittelalter zugleich eine religiöse Praxis. Im frühneuzeitlichen Adel war der Kriegsdienst eine typische Lebens- und damit häufig auch Durchgangsstation für junge Männer. Otto von Bismarck schließlich nutzte seine Stellung à la suite des Kürassier-Regiments von Seydlitz und trat in dessen Uniform auf, um sich in militärischen Fragen Glaubwürdigkeit zu verschaffen.
Die Tagung zielt darauf, die hier knapp problematisierten Wechselwirkungen zwischen Militär und Politik von der Antike bis in die Gegenwart zu analysieren. Dieses Forschungsfeld ist in Deutschland seit dem Aufkommen der Sozialgeschichte nicht mehr umfassend ausgemessen worden. Die Tagung wird – anders, als dies in der Forschung bisher geschehen ist – Politik und Militär nicht als strikt getrennte, abgeschlossene Bereiche betrachten, sondern als interagierende, dynamische Sphären mit eigenen, immer wieder aber auch geteilten Funktions- und Handlungslogiken. Ihre Formen und Zuständigkeiten sowie ihre Beziehung wurden zeitgenössisch ausgehandelt und waren häufig umstritten. Dieser Ansatz verspricht einen empirischen und heuristischen Erkenntnisgewinn, weil er Politik und Militär nicht als a priori gegebene Entitäten voraussetzt, sondern ernst nimmt, was zeitgenössisch darunter verstanden wurde, wie ihr Verhältnis zueinander jeweils geregelt war, wie um den Primat sowie um Zuständigkeiten von Militär und Politik gerungen und wie mit Grenzüberschreitungen verfahren wurde.
Die Vorträge auf der Tagung befassen sich mit den Wechselwirkungen zwischen Militär und Politik. Eingereicht werden sollen nationale und internationale Fallbeispiele zu folgenden Themenkomplexen:
1) Zwischen Ordnung und Gewalt: Militär und Politik im Kriegsfall
2) Ordnung und Gewalt im Inneren eines Gemeinwesens: Einsatz des Militärs bei Unruhen und Streiks
3) Politischer Umsturz: Das Militär als (anti-)aufständische Kraft (Aufstände, militärische Coups, Revolutionen, etc.)
4) Formen militärischer Herrschaft; Militarisierung, Bellifizierung von Politik – Politisierung des Militärs
5) Grenzgänge und Diffusion: Heerführer und Herrschaft; Militärs als Politiker_innen, Politiker_innen als Militärs
6) Präsentationsformen des Militärischen – Präsentationsformen des Politischen
Eine besondere Berücksichtigung von Nachwuchswissenschaftler_innen ist vorgesehen. Ein Abstract zum Vortrag von max. 400 Wörtern sowie kurze biobibliographische Angaben (1 Seite) werden bis zum 6. Januar 2020 erbeten an: meteling@uni-marburg.de
Kontakt
Dr. Wencke Meteling
Seminar für Neuere Geschichte
Philipps-Universität Marburg
Wilhelm-Röpke-Str. 6c
D-35032 Marburg
meteling@uni-marburg.de