Volker Arnke: „Vom Frieden“ im Dreißigjährigen Krieg. Nicolaus Schaffshausens „De Pace“ und der positive Frieden in der Politiktheorie, Berlin: DeGruyter Oldenburg 2018.
Rezensiert für den Arbeitskreis Historische Friedensforschung bei H-Soz-u-Kult von: Guido Braun, Directeur du Département d’histoire, Université de Haute-Alsace Mulhouse.
Die Frage nach den Friedenskonzeptionen in juristischen Schriften aus dem Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges verdient umso größere Beachtung, als nicht nur die historische Friedensforschung, sondern auch verwandte Disziplinen und sogar Politik und Politikberatung sich in den vergangenen Jahren intensiv mit den Konfliktstrukturen in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts sowie den Konzepten, Strategien, Praktiken und Instrumenten befassten, die zu ihrer Lösung entwickelt wurden. Wenngleich hinsichtlich des Problems der Pertinenz und Tragweite frühneuzeitlicher Friedenskonzeptionen und Konfliktbewältigungsstrategien für das Verständnis gegenwärtiger Konfliktlagen kein Konsens erzielt wurde, kommt den juristischen Ordnungsmodellen, die mit dem Ziel der Konfliktbeilegung bzw. Friedenssicherung entwickelt wurden, zweifellos eine zentrale Funktion bei der Herstellung von Friedensfähigkeit zu.
Die 2017 an der Universität Osnabrück verteidigte und im Folgejahr publizierte Dissertation Volker Arnkes erschließt der Forschung einen bemerkenswerten juristischen Beitrag zur Friedensdiskussion im Dreißigjährigen Krieg. Der 1619 bis 1634 an der Wittenberger Leucorea, später als Anwalt in Hamburg und sachsen-lauenburgischer geheimer Rat wirkende Nicolaus Schaffshausen entwickelte, wie Arnkes Studie überzeugend darlegt, in seinem Werk „De Pace“ ein positives Friedensverständnis, das sich insofern von dem zeitgenössisch in juristischen Traktaten dominierenden negativen Friedensverständnis als der Abwesenheit von Krieg deutlich abhob. In ihren drei Auflagen erfuhr die 1629, 1632 und 1640 publizierte Friedensschrift erhebliche Veränderungen, durch die sich die nach Entstehungskontext, Form und Inhalt ursprünglich akademisch-juristische Abhandlung zu einem Beitrag zur Politiktheorie und -beratung wandelte. Schon durch diesen Wandlungsprozess wird deutlich, dass mit Schaffshausens Friedenstraktat ein ebenso für die historische Forschung wie für die Rechtsgeschichte und Politikwissenschaft, aber auch für die Theologie und Religionsgeschichte wertvoller Schatz geborgen werden konnte, der (ebenso wie sein kaum bekannter Autor) in der früheren Forschung weitestgehend vernachlässigt worden war.
Im Anschluss an die den Regeln der Kunst gemäß verfasste Einleitung (1.), die Gegenstand, Fragestellung, Forschungsstand und Quellengrundlage ebenso wie die an der Historischen Friedensforschung sowie der Historischen Semantik orientierte Methode und die sich an Thomas Katers vier Dimensionen des Friedensbegriffs (Prozesshaftigkeit, Attribute, Bezugsräume, Relation zum Krieg) anlehnende Herangehensweise prägnant umreißt, gliedert sich der Hauptteil des Buches in drei Kapitel. Das 77 Seiten umfassende erste Hauptkapitel (2.) verortet Schaffshausens Friedensschrift auf drei Ebenen in ihrem ideengeschichtlichen, politischen sowie biographischen Kontext. Es resümiert zunächst den aktuellen Kenntnisstand zur Entstehung und Entwicklung des Reichsstaatsrechts im ausgehenden 16. und frühen 17. Jahrhundert, die darin behandelten Themen sowie insbesondere die Thematisierung des Friedens. Die sich anschließende Skizzierung des politischen, universitären sowie biographischen Kontextes betritt zum Teil Neuland, insofern über das Leben Schaffshausens, sein Wirken in Wittenberg und Hamburg sowie über die akademischen Zusammenhänge der Entstehung seiner Friedensschrift bislang wenig bekannt war.
Den Kern des Hauptteils bildet nicht nur umfangmäßig (mit 125 Seiten), sondern auch vom wissenschaftlichen Ertrag her das zweite Hauptkapitel (3.), das eine detaillierte, vergleichende Analyse der drei Werkausgaben in quantitativer wie qualitativer Hinsicht bietet. Von den Frontispizen über die Widmungen und die einzelnen Sektionen der Friedensschrift bis hin zu den Marginalien und Indizes spürt der Verfasser den unscheinbarsten Einzelheiten nach, zählt die quantitative Zu- bzw. Abnahme der einzelnen Abschnitte von Auflage zu Auflage absolut wie relational akribisch nach und versucht eine qualitative Deutung all dieser größeren und kleineren Veränderungen vor dem Hintergrund der zeitgenössischen politischen und persönlichen Entwicklung, die Schaffshausens Leben und Wirken prägten. Über diesen vielen Einzelheiten verliert Arnke seinen Leser jedoch nicht, denn es gelingt ihm, deren Relevanz für die größeren Zusammenhänge aufzuzeigen und die Transformation der (auf einer Wittenberger Disputation von 1629 beruhenden) akademischen Schrift zu einem Medium der politischen Praxis und Politikberatung offenzulegen. Manche Erklärung inhaltlicher Verschiebungen muss angesichts der Quellenlage auf der Ebene des Hypothetischen verbleiben. Bisweilen hätte sich der Leser einen tiefergehenden Einstieg in inhaltlich höchst spannende Aspekte gewünscht, die in Schaffshausens Traktat behandelt werden, während ihre Referierung in Arnkes Untersuchung sich passagenweise eher auf Themenangaben aus den einzelnen Sektionsüberschriften und Marginalien beschränkt.
Empfohlene Zitierweise
Guido Braun: Rezension zu: Arnke, Volker: „Vom Frieden“ im Dreißigjährigen Krieg. Nicolaus Schaffshausens „De Pace“ und der positive Frieden in der Politiktheorie. Berlin 2018, in: H-Soz-Kult, 22.01.2020, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-27846>.