Petra Goedde, The Politics of Peace. A Global Cold War History, Oxford: University Press 2019.
Rezensiert für den Arbeitskreis Historische Friedensforschung bei H-Soz-u-Kult von: Jost Düffer: Historisches Institut, Universität zu Köln .
Dies ist mit insgesamt 310 Seiten eine besonders kurze Geschichte des Kalten Krieges, aber es ist auch eine Geschichte des „kurzen“ Kalten Krieges, der hier nur von 1945 bis in die 1970er-Jahre reicht. Gerade mit Letzterem befindet sich die Verfasserin in guter Gesellschaft zu anderen neuen Ansätzen.[1] Nach dem Ende der bisherigen historischen Formation Kalter Krieg vor 30 Jahren sind neue oder ungewohnte Sichtweisen fällig, die sich von den Mustern der zeitgenössischen Akteure abheben. Gerade die Absurdität des nuklearen Wettrüstens, in der Overkill-Kapazitäten aufgehäuft wurden, um dem Frieden zu dienen oder diesen zu erhalten, verdient eine kritische Kategorisierung. Petra Goedde, in der Bundesrepublik aufgewachsen, aber in den USA wissenschaftlich sozialisiert, lehrt als Professorin an der Temple University in Philadelphia. Die genannte Absurdität macht sie zum Epochenkennzeichen, wenn sie eine Darstellung ganz an den Maßstäben des Denkens und Handelns von Frieden orientiert. Die Verfasserin kommt von der Kulturgeschichte her und spannt ein weites Feld an zeitgenössischen Autor/innen und Akteuren ein, die sie in großer Dichte und differenziert in einzelnen Kapiteln abhandelt. Das reicht von Schriftstellern, Künstlern und Filmemachern über ein breites Spektrum von „peace activists“ bis zu handelnden Politikern in Parlamenten und letztlich bis zu den Machern der Großen Politik.
Nach dem Zweiten Weltkrieg habe sich, so Goedde, in den USA und der Sowjetunion ein Denken durchgesetzt, dass zur Wahrung des Friedens meinte, den (großen) Krieg vorbereiten zu müssen, da man der anderen Seite jeweils fälschlich Kriegsabsichten und Expansion über die ganze Welt unterstellte. Dagegen habe sich eine alte Linke an Pazifisten und eine neue Linke gegen Atomrüstungen etc. gebildet. Der „World Peace Congress“ zum Beispiel sei eines der wichtigsten Foren gewesen, hätten ihm doch zunächst eine Fülle von westlichen Nicht-Kommunisten angehört, die sich dann ein eigenes Bild von der Sowjetunion machen konnten; seit den 1950er-Jahren sei es aber stärker auf sowjetkommunistischen Kurs gegangen und habe so an Einfluss verloren. Der radioaktive Fallout der 1950er-Jahre führte zu einer Verbindung von Frieden und Umwelt. Religionsgemeinschaften setzten sich in beträchtlichen Teilen für Frieden ein: Christentum, Judentum und Hinduismus werden entfaltet. Buddhismus oder Islam als große Weltreligionen kommen bei dieser, globale Ansprüche stellenden Arbeit nicht vor. Zumindest die christlichen Kirchen waren für Goedde gespalten, ob sie nicht doch gegen den gottlosen Kommunismus sein sollten. Das Eintreten von Frauen für Frieden war zwiespältig. Die einen sahen in ihrem Geschlecht eine besondere Chance oder Verpflichtung zum Kampf für Frieden, andere lehnten gerade diese Festschreibung von Geschlechterrollen ab. Schwieriger wurde es bei den Auseinandersetzungen um Dekolonisierung. Hier trat eine neuere Linke nicht mehr für Frieden ein, sondern betonte die fortschrittliche und emanzipatorische Rolle von Gewalt. Autoren wie Frantz Fanon, Leopold Senghor, Nelson Mandela, Jean-Paul Sartre oder Che Guevara werden zumeist als Vertreter der Kolonisierten genannt, dazu kam eine innerwestliche, vor allem amerikanische Gewaltdiskussion, die sich im Vietnamkrieg verschärfte. Beispiele dieser gewaltbereiten Linken, die an die fortschrittliche Rolle von Gewalt glaubten, gibt es auch aus Frankreich, Großbritannien, der Bundesrepublik, Italien und Japan. Das unterstreicht den umfassenden territorialen Aspekt der Studie.
Diese nuanciert nach unterschiedlichen Friedensvorstellungen suchende Studie bezieht nur in einem Kapitel zur Dekolonisierung die Haltung zu Frieden aus dem globalen Süden ein, ist ansonsten weitgehend auf den klassischen „Kalten Krieg“ im Ost-West-Maßstab fixiert. In den einzelnen Kapiteln werden die Friedenssemantiken der entscheidenden Akteure und Organisationen jeweils einbezogen. Frieden wurde gerade aufgrund von dessen Gebrauch im sowjetischen Diskurs seit Ende der 1940er-Jahre im Westen geradezu zu einem schmutzigen Wort. Doch dann wandelte sich dies auch im Westen langsam. Bei Eisenhower findet Goedde in den „Atoms for Peace“ und anderswo neue Ansätze. Kennedy hielt eine große Friedensrede. Bei Lyndon Johnson kann sie durch Zitate belegen, dass er – angeblich gegen den größten Teil der bisherigen Forschung – durchaus friedliche Ziele bekundete. Ganz erstaunlich erhält Richard Nixon, ein konservativer „hawk“ auch für Goedde, gute Noten: Er habe die Unhaltbarkeit des Vietnamkrieges erkannt, sei sich über den relativen Niedergang der USA gegenüber den Verbündeten klargeworden und habe schließlich auch wirtschaftlich die hohen Rüstungskosten gescheut. Wie kam es dazu? Neben den peace activists habe ihn eine Änderung des öffentlichen Dialogs dazu gebracht, insbesondere die durch Stanley Kubricks „Dr. Seltsam and how I learned to love the bomb“ beflügelte Einsicht in die Absurdität des Wettrüstens. Das Pendant auf der anderen Seite des Atlantiks und im politischen Spektrum sei Willy Brandt in Deutschland mit dem „Wandel durch Annäherung“ gewesen. Fortan sei pragmatische Politik des Ausgleichs auch mit dem Osten möglich geworden. Die bisherigen binären Vorstellungen von politischem Rationalismus vs. Idealismus, kommunistisch vs. liberale Demokratie, ja auch der rationalen Vorstellung von Kriegsvermeidung vs. dem genannten Absurden hätten sich zugunsten pragmatischeren Vorgehens aufgelöst.
Empfohlene Zitierweise
Jost Dülffer: Rezension zu: Goedde, Petra: The Politics of Peace. A Global Cold War History. Oxford 2019, in: H-Soz-Kult, 02.07.2020, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-29783>.