Rezension: C. Nübel (Hrsg.): Dokumente zur deutschen Militärgeschichte

Christoph Nübel (Hrsg.): Dokumente zur deutschen Militärgeschichte 1945–1990. Bundesrepublik und DDR im Ost-West-Konflikt, Reihe Deutsch-deutsche Militärgeschichte 1, Berlin: Christoph Links Verlag 2019.

Rezensiert für den Arbeitskreis Historische Friedensforschung bei H-Soz-u-Kult von: Carsten Richter, Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin.

Als erster Band einer neuen Reihe zur deutsch-deutschen Militärgeschichte bietet die vorliegende Quellenedition einen ebenso umfangreichen wie willkommenen Einstieg ins Thema. Sie hat zum Zweck, „die Bedeutung des Militärischen in der deutschen [Nachkriegs-]Geschichte […] anhand von Dokumenten erschließbar zu machen“ (S. 3). Dass sie ausdrücklich auch darauf zielt, den „militärischen Wesenskern“ (S. 3) der als „Kalter Krieg“ bezeichneten Epoche zu beleuchten (S. 2f.), wird über die militärgeschichtliche Community hinaus Zustimmung finden.[1]

Bei der facettenreichen Auswahl der Dokumente treten die Interessen der jüngeren Forschung deutlich hervor, bisherige Narrative um einen Strang zu erweitern, der Differenzen und Abgrenzungsversuche, aber auch Gemeinsamkeiten und Verflechtungen, Transfers und übergreifende Problemlagen beider deutscher Staaten zu einer gesamtdeutschen Nachkriegsgeschichte integriert. Die Dokumente sind chronologisch geordnet und in vier Themenbereiche unterteilt, in die der Herausgeber Christoph Nübel mit einer ausgesprochen lesenswerten Überblicksdarstellung einführt. Diese sind die Entwicklungen zur Errichtung der beiden deutschen Streitkräfte, die Bedingungen der jeweiligen Bündnis- und Sicherheitspolitik, das Verhältnis von Militär und Gesellschaft sowie die Streitkräfte im deutschen Einigungsprozess. Mit einem Abschnitt zu Inhalten und Sprache der Akten zeigt Nübel einen weiteren Zugang zur deutsch-deutschen Militärgeschichte auf und liefert hilfreichen Kontext zum Umgang mit den Quellen.

Der erste Schwerpunkt der Edition liegt auf Dokumenten zu den Bedingungen der jeweiligen Bündnis- und Sicherheitspolitik. Sie zeigen grundlegende Unterschiede in der Struktur und im Selbstverständnis der beiden Bündnisse: Während sich in der NATO Mitspracherechte der Mitgliedsstaaten in Verhandlungen über ein gemeinsam abgestimmtes Vorgehen äußerten, war in der Warschauer Vertragsorganisation das Wort des Moskauer Generalstabs Gesetz (S. 21). Die Brisanz daran zeigt sich unter anderem in der Frage des Einsatzes von Nuklearwaffen: Während die Bundesrepublik mit ihren Bemühungen um Schadensbegrenzung im Eventualfall teilweise Erfolge in der Formulierung der Nuklearstrategie erzielte, gelang das der DDR erst kurz vor ihrem Zusammenbruch. Beide Armeen planten auf eine Weise am nuklearen Abgrund entlang, die dem Leser die Tragweite dieser Entscheidungen in aller Deutlichkeit vor Augen führt (Dok. 87, 88, 114, 176).

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Empfohlene Zitierweise
Carsten Richter: Rezension zu: Nübel, Christoph (Hrsg.): Dokumente zur deutschen Militärgeschichte 1945–1990. Bundesrepublik und DDR im Ost-West-Konflikt. Berlin  2019, in: H-Soz-Kult, 26.06.2020, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-29129>.